Anthologie: Aus der Ur-Quelle

6. Die Elemente

 

Ich trat in meine Seele ein und bat den Vater, mich seine Gesetze der Schöpfung besser verstehen zu lassen. Dann wartete ich auf das, was geschehen würde. Es erschien eine große helle Sphäre vor mir und ich ging darauf zu und schlüpfte in die Sphäre hinein. Darin sah ich eine weitere kleinere Sphäre und in der Sphäre war noch eine Sphäre , immer kleiner werdend, bis ich sie nicht mehr unterscheiden konnte.

 

Ich trat zu der kleineren Sphäre und schlüpfte wieder hinein. Dabei war sie genauso groß wie die erste Sphäre. Ich atmete ein, und atmete die erfrischendste Luft, die ich je geatmet habe. Es war reinster Sauerstoff. Dieser Sauerstoff begann mich glücklich zu machen. Er füllte mich mit Glück auf.

 

Dann fiel mein Blick auf eine neue Sphäre im Zentrum und ich bewegte mich darauf zu. Sie war wieder kleiner und als ich hineinschlüpfen wollte, war plötzlich ein Mensch, ein Jugendlicher Junge vor mir und huschte schnell hinein. Er musste sich klein zusammen kauern, um darin Platz zu finden. Er schwebte aus meinem Blickfeld. Da erschien schon wieder eine neue Sphäre und dahinter viele Sphären, wie an einer Perlenkette. Ich dachte, dann schlüpfe ich eben in die nächste und stieg hinein.

 

Dabei wurde die Sphäre wieder so groß, wie die anderen zuvor. Ein gelbgoldenes Licht schien in der Sphäre. Ich ließ meinen Blick in alle Richtungen streifen und plötzlich stand ich oben auf der Sonne. Feurige Wärme stieg durch meine Wirbelsäule von unten nach oben. Es war heiß und doch nicht brennend. Angenehm floss dieses Feuer durch mich hindurch, sanft, gleichmäßig wärmend.

 

Und dann erschien im Zentrum wieder eine kleinere neue Sphäre, in die ich ebenfalls hinein schlüpfte. Sofort dehnte sie sich wieder aus, zur gleichen Größe, wie zuvor. Ich sah einen Teich, an dessen Ufer weiße Lilien blühten, deren Ränder violettblau schimmerten. Ich hörte Wasser plätschern.

 

Ich berührte mit den Fußsohlen die Wasseroberfläche und stellte fest, dass dieses Wasser anderes Wasser war. Ich stieg langsam ins Wasser und fühlte, wie dieses andersartige Wasser mich weder nass machte, noch eine andere Temperatur hatte als ich selbst. Es legte sich an meiner Hautoberfläche an, ohne eine Berührung, wie im physischen Sein, und verschmolz mit mir. Nun war ich im Wasser und das Wasser in mir. Es erfüllte mich mit Freude und eine tiefe Stille umgab mich.

 

Dann segnete ich das Wasser. Und augenblicklich veränderte sich alles. Das Wasser um mich herum, begann zu sprudeln und zu plappern. Es bestand aus unendlich vielen kleinen Tropfen, oder Blasen, in denen sich üppiges Leben bewegte. Es regte sich, wohin ich auch sah. Es war lustig und erinnerte mich an das Lachen und Plappern von vielen spielenden Kindern, wo man keine Einzelheiten heraushören kann.

Dann erschien plötzlich wieder eine kleinere Sphäre im Zentrum und ich ging hinein. Sofort nahm auch diese Sphäre wieder die gleiche Größe der anderen Sphären an. Vor mir erschienen orange-rote Felsen, die wie Sand wirkten. Flache Felsschichten aufeinandergetürmt, glatte runde orangebraune große Steine. Soweit mein Auge reichte, war eine wunderschöne felsige und steinige Landschaft. Alles in orangenen, rötlichen und bräunlichen Farben getönt.

 

Ich sah nach unten zu meinen Füßen. Da erschien ein riesiger, glasklarer Kristall, geschliffen wie ein Diamant, der alles, was ich sehen konnte, bedeckte. Das faszinierte mich und ich schaute intensiv durch diesen Kristall hindurch auf die felsigen Steine.

 

Dann erschienen grüne Flechten, sich langsam ausbreitend über die Steine. Gleichzeitig begann Gras zu wachsen und dort wo Gras gewachsen war, kamen Stauden, Sträucher, Bäume und Blumen zum Vorschein. Die Erde zog ein grünes Kleid an.

 

Ich sah nach oben in den Himmel, den ich bisher gar nicht wahrgenommen hatte und über den Himmel zogen Gänse und Störche, dann ein riesiger Vogelschwarm, der die Luft in Bewegung brachte. Ein sanfter Wind begann zu wehen.

 

Ich sah wieder zur Erde. Da stand eine menschliche Gestalt in einiger Entfernung von mir, nur die Umrisse eines Menschen, der nach Westen blickte. In westlicher Richtung stand eine Giraffe, es sprang ein Löwe zwischen der Gestalt des Menschen und mir vorbei und löste sich auf. Ich sah Hunde, Katzen, Mäuse, riesige Tierherden aus der afrikanischen Savanne und Insekten. Alles regte sich.

 

Ich schaute wieder auf die menschliche Gestalt und bemerkte, dass die Gestalt lebendig geworden war. Er sah weiterhin westwärts und ich folgte seinem Blick. Mein Blick streifte eine große Menschenmenge. Sie trugen alle lange erdfarbige Gewänder. Alle sahen nach Westen, wo die Zukunft lag.

 

Dort, am Horizont war eine weiße Lichtwand, die nicht endete. Doch es waren drei Öffnungen in Form eines Rundbogens zu erkennen. Alle Menschen begaben sich in Richtung dieser Lichtwand. Je näher ich kam, umso klarer wurde mir, dass es eine Entscheidung zu treffen gab, durch welches der Torbögen man gehen möchte. Die Tore führten in verschiedene Realitäten. Ich wurde zaghaft, wollte mich nicht entscheiden müssen, denn man konnte nicht erkennen, welche Realitäten dahinter sein würden.

 

Nun stand ich vor den Torbögen, und wunderte mich, dass andere nicht so zögerten. Ich bat den Vater um Hilfe. Da erschien über dem mittleren Tor eine kräftige Frauengestalt. Sie saß mit ihrem langen Gewand direkt auf dem Bogen. Über ihrem rechten Arm hing ein Korb gefüllt mit einem Ährenstrauß.

 

Ich bat sie, mir ihren Namen zu sagen. Sie antwortete, sie sei Demeter, und in ihrem Reich unterliegt alles dem Wandel, dem Werden und dem Vergehen, dem Werden und dem Vergehen. Das hörte sich einladend an.

 

Gleichzeitig erkannte ich, dass mein Weg nicht durch dieses Tor führen wird. Ich ging auf das rechte Tor zu, und Schritt in die Dunkelheit. Für einige Schritte war ich von vollkommener Dunkelheit umgeben. Und mit einem weiteren Schritt stand ich auf einem Felsvorsprung und blickte in eine weite Landschaft, die mit Nebel überzogen war.

 

Ich streckte meine Arme aus und berührte diesen Nebelschleier mit den Handflächen und zog ihn einfach weg. Er löste sich auf. In dem weiten hügeligen Tal gab es eine große Stadt, deren Häuser sich vollkommen harmonisch und natürlich in das Landschaftsbild hinein schmiegten. Es war alles in einen tiefen Frieden getaucht.

 

Ich erinnerte mich an das Tor, durch das ich kam und drehte mich um. Das Tor war nicht mehr zu sehen. Mein Blick fiel auf eine Industriestadt, mit hohen Kaminschloten, die graue Wolken ausspien. Ich atmete auf, wissend, dass ich dorthin nicht mehr zurück muss.

 

Ich drehte mich ein wenig nach links und schaute nach Westen. Dort umspannte ein riesiger Regenbogen die Ebene und ließ das Licht unter sich in hellerem Licht erstrahlen. Dann drehte ich mich weiter nach links, bis ich nach Osten schauen konnte.

 

Es ging gerade die Sonne auf. Alles war noch nicht erschaffen. Der jungfräuliche Tag begann, und ich wusste, dass wir alle jeden Tag alles neu erschaffen, und alles jeden Tag neu erschaffen können. Das ist die Gnade Gottes. Er beginnt mit uns jeden Tag, um mit uns, durch das Licht seines Geistes alles neu zu beleben, auszudehnen und für die Ewigkeit auszubreiten.

 

Ich wurde sehr demütig und dankbar für diese unendliche Liebe, die uns durchdringt.

 

Ich drehte mich noch einmal nach rechts und blickte nach Süden. Ich schaute über die Welt, über Kontinente und Meere. Alle sichtbare Realität wurde von einem silbrig-weißen Licht, das aus der Tiefe des Horizontes strömte, erhellt.

 

BL