Anthologie: Aus der Ur-Quelle

1. Wasser, die Alchemie des Lebens

Ich befand mich inmitten des Universums. Dreimal drehte ich mich wie ein Uhrzeiger im Kreis und sah die Sterne und Sternbilder wie Lichtfäden an mir vorbeirauschen.

Ich drehte mich also sehr sehr schnell. Als ich wieder stillstand, leuchtete vor mir eine helle Kugel. Sie schien fest zu sein wie eine Christbaumkugel aus Glas. Ich konnte nicht in das Innere der Kugel sehen, weil viele bauschige weiße Wolken mir den Blick verwehrten.

 

Plötzlich hörte ich eine Stimme, sie sagte: „Du musst von oben hineinsehen“. Ich schwebte nach oben und sah von oben hinein. Es war wunderschönes blaues Wasser darin, das in der Mitte einen rechtdrehenden Trichter nach unten bildete. Gleichzeitig stieg feiner Wasserdampf an der Innenseite der Kugel nach oben und bildete genau vor meinen Augen einen Wassertropfen. Der Wassertropfen bekam langsam einen Hals, der länger wurde und gleich würde der Tropfen loslassen und in die Mitte des Trichters springen. Der Hals war aus meiner Draufsicht aber wie eine Röhre und ich fragte, ob ich hineinschlüpfen dürfte. Schon war ich im Tropfen und fühlte mich wie im Mutterleib. Noch ein kurzer Moment und ich fiel von dem Tropfen umhüllt hinunter, ins Zentrum des Wirbels. Wir tauchten in das große Wasser. Sobald wir eingetaucht waren, lösten sich die Grenzen des Tropfens auf und wir verschmolzen mit dem Element zu einem Wesen.

 

Um mich herum perlten viele kleine Luftblasen und erfüllten mich mit Leichtigkeit und Leben. Irgendwie war ich Wasser und doch wusste ich, dass Ich bin. Ich sah mich um und sah links neben mir einen gold- und bronzefarbenen Buddha sitzen. Er war wie eine Statue und doch war er keine. Und weil ich wie Wind und Wasser zugleich war, glitt ich durch den Buddha hindurch. Ich fühlte eine warme Liebe, sie hüllte mich ein. Ich fühlte mich geborgen und geliebt und wollte für immer da bleiben.

 

Doch dann erinnerte ich mich, dass der Ort zum Bleiben nicht hier ist und die Zeit zum Bleiben noch nicht gekommen ist, dass ich mich nicht festhalten darf, sondern weitergehen muss, um das Leben und die Räume meiner Seele zu erkunden. So nahm ich die warme Liebe mit und ließ meine Liebe bei ihm. Dank floss durch meine geistigen Adern.

 

So schwebte ich weiter und schwamm nach rechts zu einem Ort, mit unzähligen wirbelnden Luftblasen. Inmitten des Tanzes der wirbelnden Luftblasen war ein Delphin. Er lachte, schlug kraftvoll mit seiner Schwanzflosse und schoss aus dem Wasser, machte einige Saltos und platschte wieder ins Wasser. Die Freude am spielerischen Leben funkelte in seinen Augen. Ich hielt mich an seiner Rückenflosse fest und drückte mich nah an seinen Körper. Mit seinen fließenden kraftvollen Bewegungen schossen wir wie ein Pfeil durchs Wasser.

 

Es begann an den Berührungspunkten unserer Körper in mir zu kribbeln. Dann breitete sich das Kribbeln auf meinen ganzen Körper aus. Und ich erkannte, dass die Freude am Leben, in mir erwachte. Fröhliches, elektrisiertes Kribbeln, was tiefen Frieden hervorbrachte. Es war alles erreicht, es gab im Moment nichts, was noch zu erreichen wäre. Ich war inmitten desm Erlebens des Lebens.

 

Ich fragte den Delphin, ob ich noch länger bei ihm bleiben kann. Und wir vereinbarten, dass ich drei Tage bei ihm bleibe, bis alle Zellen in mir vollkommen mit der Freude am Leben auferweckt sind, zur unendlichen und ewigen Weiterentwicklung, um es Allen und Allem zufließen lassen zu können.

 

BL